Verbraucherschutz und Produktsicherheit

Bürokratiekosten steigen immer weiter

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Am 31. Mai  ist  die letzte von  drei Übergangsfristen für die Registrierung von Chemikalien in Europa abgelaufen. Hersteller und Importeure mussten bis dahin für jeden Stoff im Mengenband von einer  bis 100 Tonnen pro Jahr ein Dossier über  Herstellung, Verwendung und Sicherheit bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA einreichen. Stoffe mit größeren Herstellungs- oder Importmengen mussten bereits 2010 und 2013 registriert werden. Seit 2008 wurden insgesamt 88.300 Registrierungen für 21.551 Stoffe eingereicht, 25 % davon aus Deutschland. 18 % der Registrierungen erfolgten durch kleine und mittelständische Unternehmen. 23 % wurden von Alleinvertretern und 38 % für Importe eingereicht. Es wurden Registrierungsnummern für 82.874 Stoffe zugewiesen. Zur Frist 31.Mai 2018 wurden 33.400 Registrierungen für 11.100 Stoffe  (davon ca. 7.000 erstmals registrierte Stoffe) eingereicht.

Mit Ablauf dieser letzten Frist wird die Arbeit an und für REACH nicht beendet sein, lediglich die Schwerpunkte werden sich verschieben. Den Firmen sind durch die REACH-Umsetzung in den letzten zehn Jahren hohe Kosten und großer Personalaufwand entstanden.


Die Studie der EU-Kommission

Doch nicht nur  REACH sondern auch andere Regulierungen im Chemikalienbereich trugen zu hohen Belastungen der Unternehmen bei. So hat die EU-Kommission in einer ausführlichen Studie „Cumulative Cost Assessment for the EU Chemical Industry“ die Belastung der chemischen Industrie zur Erfüllung von Rechtsvorgaben in Europa untersucht. Hiernach sind die umfangreichsten Kostentreiber für unsere Industrie die drei grundlegenden EU-Verordnungen CLP, REACH und die Biozid-Verordnung.

Der Studie liegt eine Analyse der aus der relevanten EU Gesetzgebung resultierenden kumulativen Kosten zugrunde. Es stehen die Gesetzgebungsbereiche im Fokus, die für die chemische Industrie in den 28 EU-Mitgliedstaaten zwischen  2004-2014 von Bedeutung waren. Bei Kumulierung aller für Chemieunternehmen relevanten Gesetzgebungen liegen die geschätzten, jährlich im Durchschnitt angefallen, direkten Gesamtkosten  von 2004-2014 bei etwa 9,5 Milliarden €,  ca. 2 % des Umsatzes und 12 % der Wertschöpfung.

Kumulative Kosten für Lacke, Farben und Druckfarben

Die Studie fasst die Farben, Lacke und Druckfarben in der Kategorie „Spezialchemikalien“  mit  Stoffen wie Silikonen, Fasern und Harze zusammen. Diese Spezialchemikalien repräsentierten durchschnittlich 26 % des gesamten Chemieumsatzes. Die Studie kommt zur Feststellung, dass der Bereich Spezialchemikalien in absoluten Zahlen die höchsten Kosten in Höhe von 3,9 Milliarden € zu tragen hatte.

Die hohen Kosten gehen im Wesentlichen auf die geringere Wertschöpfung aufgrund höherer Herstellungskosten sowie den geringeren Umsatz von Unternehmen der Branche zurück, die über die Jahre ein breites Spektrum an Anforderungen im Zuge der Umsetzung der Chemikaliengesetzgebung erfüllen müssen.

Chemikaliengesetzgebung

In den untersuchten Bereichen ist die Chemikaliengesetzgebung die wichtigste, sie entspricht etwa 40,6% der gesamten Gesetzgebungskosten. Die Studie stellt das sogenannte „CAPEX“  heraus: Es umfasst die Neuanschaffung von Geräten, IT-Systemen, die Etikettierung und Sicherheitsdatenblatt-Verwaltung sowie sämtliche Systeme zur Einhaltung von REACH, CLP und der Biozid-Gesetzgebung. Damit repräsentiert CAPEX 39 % der Kosten für die Umsetzung der Chemikaliengesetzgebung.

Der Verwaltungsaufwand und die monetären Verpflichtungen betragen 28% bzw. 20%. der Kosten der Chemikaliengesetzgebung und stehen in direktem Zusammenhang zu den Informations-und Registrierpflichten bei REACH, CLP und der Biozid-Gesetzgebung.

Arbeits-und Gesundheitsschutzgesetzgebung

Die Gesetzgebung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist das zweitwichtigste Kostenpaket. Es repräsentiert  28% der Gesetzesfolgekosten, dies entspricht etwa 4,6% der Wertschöpfung.

Die wichtigsten Kategorien hier sind Kosten für Schulungen, für Daten und Informationssysteme, Sicherheitsabläufe und Bildmaterial (65%). CAPEX erfasst Systeme in Produktionsstätten wie z.B. Containment Systeme, Emissionsminderungstechniken, Überwachungseinrichtungen und alle Schutzsysteme für  Arbeitnehmer.

Industrieemissionen

Das drittgrößte Kostenpaket stellen die Industrieemissionen dar. Sie stellen 20%  der Gesetzgebungskosten dieses Teilsektors. Fast alle Kosten (93%) werden durch die von Seveso geforderten Investitionen, Industrieemissionen sowie Wasser- und Abfallrichtlinien verursacht.

Energiegesetzgebung

Durch die Gesetzgebung im Rahmen des Energiepakets entstandene Kosten  sind im Vergleich zu den anderen untersuchten Branchen ebenfalls hoch(9% bzw. 2% bei Spezialchemikalien. Wesentliche Kostentreiber sind Steuern und Abgaben auf das Energiekonzept der Unternehmen(89% der Kosten des Energiepakets). Direkte Kosten entstanden auch durch die Energieeffizienzrichtlinie.

Kosten für die Umsetzung von CLP in der Lack-,Farben- und Druckfarbenindustrie

Anfang 2017 wurde in einer kleinen Umfrage in  der Fachgruppe Bautenanstrichmittel von 92 % der Teilnehmer bestätigt, dass die Umstellung der Kennzeichnung auf CLP zu einem besonderen Aufwand in den Firmen geführt hat. Auch gaben  fast 80 % der Firmen an, Produkte aus dem Handel zurückgenommen und 24 % bereits im Handel befindliche Produkte umetikettiert zu haben.

Zusätzliche Kosten entstanden auch durch die Entsorgung bereits gefüllter Gebinde, durch Rezepturänderungen aufgrund neuer Kennzeichnungen und die Erstellung neuer Etiketten, Sicherheitsdatenblätter und Technischer Merkblätter.

Nach Abschluss der CLP-Umsetzungsfristen Mitte 2017 haben wir erneut bei den Mitgliedern nachgefragt:   Als besondere Kostentreiber zeigten sich auch hier die Erstellung neuer Etiketten, Sicherheitsdatenblätter und technischer Merkblätter. Kumuliert auf unsere Branche auf Basis der 27 Teilnehmer wären hierfür Kosten von rund 15,2 Millionen € angefallen. Enorme Ausgaben fielen für die Änderung der Rezepturen und  Entsorgung und Rücknahme bereits gefüllter Gebinde bzw. von  bereits im Handel befindlichen Gebinden an: 6,9 Millionen €; Abwertungsbedarf für Etiketten und lithografierte Gebinde:  rund 6,8 Millionen €. Weitere Kosten fielen an für die Anpassung von Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen und die ständige Überprüfung und Aktualisierung von Sicherheitsdatenblättern. Zudem musste in neue Drucker, Hardware aber auch in Schulungen von Mitarbeitern, Kunden und vor allem in neues Personal investiert werden. Für diese sonstigen Maßnahmen können auf Basis der Umfrage antworten insgesamt 18 Millionen € angenommen werden.

Allein für den Bereich der Umsetzung von CLP käme man also für den Lack-, Farben-und Druckfarbensektor auf geschätzte 51,3 Millionen €.

Ein Ende ist nicht in Sicht:

Ein Blick zurück zeigt, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung kontinuierlich angestiegen sind. So lagen die Ausgaben 2009 noch bei 190 Mio € und stiegen auf zuletzt 240 Mio € pro Jahr. Damit lägen wir bei knapp 1,3 Milliarden €  für den Zeitraum von 2009-2015 denen 51,3 Mio € nur für die Umsetzung von CLP gegenüberstehen.

Frau Elfriede Gartz (CD Color und  Vorsitzende des Technischen Arbeitskreises Bautenanstrichmittel) bestätigt: „Der Bereich Produktsicherheit musste erheblich ausgeweitet werden. So betreute früher ein Mitarbeiter die Sicherheitsdatenblätter nebenbei. Heute beschäftigt das Thema  2,5 Mitarbeiterstellen. Man ist quasi ständig mit Umformulierungen beschäftigt um keine neu und schärfer eingestuften Stoffe zu verwenden." Auch Dr. Helmut Möbus  berichtet, dass bei DAW SE 5,5 zusätzliche Stellen  für die Produktsicherheit eingestellt wurden, dazu kommen noch umfangreiche IT- Investitionen, Kosten für Beratungsunternehmen sowie für Schulungen und Weiterbildungen

Ein Ende ist nicht in Sicht: durch weitere harmonisierte Einstufungen im Rahmen von CLP und Beschränkungen bzw. Zulassungen unter REACH werden Kosten für Umformulierungen und Umetikettierungen anfallen. Und, nicht zu vergessen, als Mammutaufgabe erwartet uns bis 2024 die Umsetzung einer europäisch harmonisierten Meldung an die Giftinformationszentren.


Anfang 2009 ist die europäische CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging), in Kraft getreten. Mit Inkrafttreten dieser Verordnung wurde europaweit ein neues System für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen eingeführt.
Verordnung (EU) Nr. 528/2012) über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten.

 
Die Biozid-Verordnung regelt den Verkauf, die Abgabe und die Verwendung von Biozidprodukten. Sie betrifft sowohl Händler, Inverkehrbringer als auch Verwender von Biozidprodukten. Ziel der Verordnung ist es, das Bereitstellen von Biozidprodukten auf dem Markt und die Verwendung innerhalb der EU zu vereinheitlichen; gleichzeitig soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt gewährleistet werden.

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