Gelegentlich wird behauptet, dass Druckfarben zur Bedruckung von Lebensmittelkontaktmaterialien, und hier insbesondere Lebensmittelverpackungen, gesetzlich nicht geregelt und bedruckte Lebensmittelverpackungen deshalb „unsicher“ seien. Das ist nicht richtig! Bedruckte Lebensmittelkontaktmaterialien bzw. die Druckfarben zu deren Herstellung unterliegen – wie alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien auch – den Anforderungen der Rahmenverordnung (EG) Nr. 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Hier ist insbesondere Artikel 3 einschlägig, der bestimmt, dass „Materialien und Gegenstände (…) nach guter Herstellungspraxis so herzustellen [sind], dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind,
a) die menschliche Gesundheit zu gefährden, oder
b) eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen, oder
c) eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen.“
Darüber hinaus beschreibt die sogenannte GMP-Verordnung (EG) Nr. 2023/2006 Anforderungen, die allgemein an die in Artikel 3 der Rahmenverordnung genannten Guten Herstellungspraktiken gestellt werden. Es wird allerdings den Wirtschaftsakteuren überlassen, die Guten Herstellungspraktiken konkret auszugestalten.
Für einige Lebensmittelkontaktmaterialien hat die Europäische Kommission harmonisierte Regelungen in Form sogenannter Einzelmaßnahmen erlassen, die konkret festlegen, wie die allgemeinen Sicherheitsanforderungen des Artikels 3 der Rahmenverordnung zu erfüllen sind. Dazu zählen Kunststoffe, Zellglasfolien, Keramikgegenstände, aktive und intelligente Materialien, sowie Lebensmittelkontaktmaterialien aus recyceltem Kunststoff. Für andere Materialien haben die Mitgliedsstaaten Regelungen erlassen; in Deutschland zum Beispiel für Papiere, Kartons und Pappen in einer Empfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Für Druckfarben existieren in der Europäischen Union solche Vorschriften nicht.
Immer wieder wurde und wird der Ruf laut, dass für sämtliche Lebensmittelkontaktmaterialien europäisch harmonisierte und damit europaweit gültige, konkrete Regelungen geschaffen werden sollten, um einerseits überall in der Europäische Union einen einheitlich hohen Verbraucherschutzstandard zu schaffen und gleichzeitig einen Flickenteppich unterschiedlicher einzelstaatlicher Regelungen zu verhindern, die den freien Warenverkehr im Binnenmarkt gefährden würden.
Vor etwa drei Jahren forderte das Europäische Parlament die Europäische Kommission in einer Entschließung1 auf, für alle Lebensmittelkontaktmaterialien jeweils spezifische gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zu erlassen. Auch eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission2 , in der alle existierenden Regelungen innerhalb der Europäischen Union recherchiert und zusammengefasst wurden, legt nahe, dass es dringend einer Vereinheitlichung der Regeln auf EU-Ebene bedarf.
Die Europäische Kommission hatte Ende 2016 auch in Folge der Notifizierung eines nationalen Regelungsvorhabens durch Deutschland im Rahmen des TRIS-Verfahrens angekündigt, dass sie harmonisierte Vorschriften für bedruckte Lebensmittelkontaktmaterialien erlassen wolle, dieses Vorhaben jedoch aktuell zurückgestellt hat, um zunächst die Rahmenverordnung selbst einer Revision zu unterziehen.
Heißt das, für Druckfarben existieren in der Europäischen Union keine spezifischeren Regeln als die allgemeinen Sicherheitsanforderungen der Rahmenverordnung? Nein, denn der europäische Druckfarbenverband EuPIA ist in die Presche gesprungen und hat in den letzten zehn Jahren ein Regelwerk geschaffen, mit dem seine Mitgliedsunternehmen und deren Kunden arbeiten können, um sicherzustellen, dass bedruckte Lebensmittelkontaktmaterialien in Übereinklang mit den Anforderungen der Rahmenverordnung und damit sicher hergestellt werden können.
Kontrollierte Druckfarbenherstellung nach GMP-Standards
Dabei ist zuerst die EuPIA Gute Herstellungspraxis (EuPIA GMP)3 zu nennen, mit der die Anforderungen der GMP-Verordnung konkret für die Herstellung von Druckfarben für Lebensmittelkontaktmaterialien (Food Contact Materials – FCM) ausformuliert werden. Die EuPIA GMP beschreibt detailliert die Anforderungen an die Zusammensetzung der Druckfarben und Drucklacke sowie an das Qualitäts- und Hygienemanagement.
Sie ist so gestaltet, dass Drucker und Markenbesitzer die Druckfarbenhersteller gegen die EuPIA GMP auditieren können.
Für alle Prozessschritte werden Risikobewertungen mit Hilfe einer spezifischen FMEA-Methode eingeführt.
Rohstoffe müssen für die Herstellung von FCM Druckfarben gezielt ausgewählt werden. Grundsätzlich müssen sie zunächst die für alle Druckfarben geltenden Anforderungen der EuPIA-Ausschlusspolitik4 erfüllen. Zusätzlich müssen sie entweder in einschlägigen Regelwerken, wie z.B. der Kunststoffverordnung (EU) Nr. 10/2011 oder der Schweizer Bedarfsgegenständeverordnung 817.023.21, positiv gelistet sein, oder aber von einer anerkannten wissenschaftlichen Behörde toxikologisch bewertet sein. Ist eine solche Bewertung nicht vorhanden, können Rohstoffe von der Druckfarbenindustrie nach strengen Kriterien selbst bewertet werden. Hierfür stellt der Verband einen eigenen Leitfaden5 zur Verfügung und schult seine Mitglieder bei der Anwendung in Form von Trainings und Workshops.
Für UV-Druckfarben und –lacken existiert eine eigene Zusammenstellung6 der zu verwendenden Photoinitiatoren bzw. Photosynergisten.
Um die Gebrauchstauglichkeit der FCM-Druckfarben festzustellen, führen die Druckfarbenhersteller orientierende Migrationsuntersuchungen an Modellsubstraten durch. Offizielle Prüfmethoden existieren derzeit nur für Kunststoffmaterialien. Für Prüfungen an anderen Bedruckstoffen hat die Arbeitsgruppe der analytischen Fachleute der EuPIA einen eigenen Leitfaden7 entwickelt, der derzeit im Hinblick auf seinen Anwendungsbereich noch erweitert wird.
Die Prozesskette zur Herstellung bedruckter Lebensmittelkontaktmaterialien ist sehr komplex. Daher müssen alle Glieder der Kette – gegebenenfalls unter entsprechender Vertraulichkeitsvereinbarung – relevante Informationen austauschen, um sicherzustellen, dass die Produkte so formuliert werden können, dass sie für ihre Verwendungszwecke geeignet sind und damit den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
EuPIA-Mitglieder stellen für ihre Kunden die relevanten Informationen in einem sogenannten „Statement of Composition (SoC)“ zusammen. Das SoC enthält im Wesentlichen eine Liste von den in FCM-Druckfarben verwendeten Stoffen, die ein Migrationspotential aufweisen. Für die Stoffe werden Migrationsgrenzwerte angegeben, sowie die Maximalgehalte dieser Stoffe im getrockneten Farbfilm. Diese Angaben benötigt der Weiterverarbeiter, um sicherzustellen, dass sein Druckerzeugnis den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Eine spezielle EuPIA-Kundeninformation8 soll die Kundenindustrie dabei unterstützen, die bereitgestellten Informationen richtig zu deuten und zu nutzen. Darüber hinaus stellen die Druckfarbenhersteller Informationen über die Verwendung und Anwendungseinschränkungen in Technischen Datenblättern oder anderen Unterlagen bereit. Zur Unterstützung seiner Mitglieder stellt EuPIA eine Checkliste für Technische Datenblätter zur Verfügung.
Damit Druckfarbenhersteller ihre Kunden mit den relevanten Informationen versorgen können, benötigen sie ihrerseits aussagefähige Daten von ihren Rohstofflieferanten. Zu diesem Zweck hat EuPIA Rohstoff-Compliance-Fragebögen entwickelt, die EuPIA-Mitglieder nutzen können, um die erforderlichen Daten bei den Rohstofflieferanten abzufragen. Zusätzlich hat EuPIA Erläuterungen für Rohstofflieferanten9herausgegeben, in denen die Notwendigkeit der Offenlegung der Daten erklärt wird, damit die Lieferkette ihrer Verpflichtung zur Herstellung konformer Produkte nachkommen kann.
Mit den vorgestellten Konzepten leistet die Druckfarbenindustrie bereits ihren Beitrag zur Herstellung lebensmittelrechtlich konformer, sicherer bedruckter Lebensmittelkontaktmaterialien. Gleichwohl befürwortet die Druckfarbenindustrie eine praktikable Gesetzgebung für bedruckte Lebensmittelkontaktmaterialien, allerdings ausschließlich auf europäischer Ebene. Zusammen mit allen Partnern der europäischen Wertschöpfungskette wurde ein Regelungskonzept10 erarbeitet, in das die in diesem Artikel beschriebenen Elemente eingeflossen sind und das auf grundsätzlich positive Resonanz bei den zuständigen Stellen der EU-Kommission getroffen ist.
Autor:
Dr. Martin Kanert, Geschäftsführer des VdL und Geschäftsführer des europäischen Druckfarbenverbandes EuPIA (European Printing Ink Association)
1 European Parliament resolution of 6 October 2016 on the implementation of the Food Contact Materials Regulation (EC) No 1935/2004 (2015/2259(INI)) 2 Non-harmonised food contact materials in the EU: regulatory and market situation; Baseline study: Final report; Administrative arrangement SANTE/2014/E6/SI2.684014 3 EuPIA Good Manufacturing Practice (GMP): Printing Inks for Food Contact Materials; 4th completely revised version; March 2016; www.eupia.org 4 EuPIA Exclusion Policy for Printing Inks and Related Products; 3rd edition, November 2016 (corrigendum December 2018); www.eupia.org 5 EuPIA Guidance for Risk Assessment of Non-Intentionally Added Substances (NIAS) and Non-Listed Substances (NLS) in printing inks for food contact materials; 2nd amendment, February 2019, www.eupia.org 6 EuPIA Suitability List of Photoinitiators and Photosynergists for Food Contact Materials; May 2019, www.eupia.org 7 EuPIA Guidance on MigrationTest Methods for the evaluation of substances in printing inks and varnishes for food contact materials; 1st amendment, October 2018, www.eupia.org 8 EuPIA Customer Guidance Note for using ink Statements of Composition when considering compliance of food packaging; July 2012, www.eupia.org 9 EuPIA Explanatory note for suppliers of ink raw materials regarding regulatory compliance of printed food packaging; 1st amendment February 2013, www.eupia.org 10 Position of the Packaging Ink Joint Industry Task Force (PIJITF) on the planned EU Measure on Printed Food Contact Materials (“pFCM measure”), August 2018, www.eupia.org |
---|