Nachhaltigkeit und Ressourcen

Effiziente Verwertung von Farben und Lacken

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Einer der bedeutenden Bausteine im Europäischen Green Deal ist der neue „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“. Mit vielen Einzelmaßnahmen zielt der Aktionsplan darauf ab, in der EU in Verkehr gebrachte Produkte künftig so zu gestalten, dass Abfälle vermieden oder wiederverwendet werden oder einfach zu verwerten sind. Auch Farben und Lacke sind betroffen.

 

Die Kreislauffähigkeit von Produkten wird ein wesentlicher Bestandteil eines nachhaltigen Produktdesigns werden. Im März wurde dazu eine Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) veröffentlicht, die eine Erweiterung des Geltungsbereichs der aktuellen Ökodesign-Richtlinie von energieverbrauchsrelevanten Produkten auf eine Vielzahl von Produkten vorsieht. Es sollen Anforderungen festgelegt werden, die Produkte langlebig, wiederverwendbar, leicht reparierbar und/oder recyclebar machen sollen.

 

EU beabsichtigt Wiederverwertung von Farb- und Lackresten

In der Praxis könnte dies eine Verpflichtung zu einer Weiterverwendung von Farb- und Lackresten und die Einhaltung eines Mindestrecyclinganteils für Farben und Lacke bedeuten. So fordert die Studie der Kommission, die Wiederverwertung von Farben von einem Prozent auf 25 Prozent zu steigern, entweder durch freiwillige Vereinbarungen oder im Rahmen einer erweiterten Herstellerverantwortung.

In verschiedenen angelsächsischen Ländern wurden bereits entsprechende freiwillige Programme initiiert, die Reuse- und Recycling-Konzepte für Farben beinhalten. Auch wenn solche Initiativen positiv zu bewerten sind, kann dadurch leicht der Eindruck entstehen, dass zusätzliche nationale Konzepte generell notwendig und praktikabel seien. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund verschiedener Entsorgungssysteme in den verschiedenen Ländern jedoch irreführend. Denn in einigen Ländern fehlen beispielsweise kommunale Abgabestellen für Farb- und Lackabfälle, und es findet nach wie vor eine signifikante Deponierung dieser Abfälle statt. In Deutschland hingegen hat sich mit den kommunalen Wertstoffhöfen und Schadstoff mobilen ein effektives staatliches System ohne Deponierung etabliert.

 

Paint Reuse und Paint Recycling

In der erwähnten Studie der EU-Kommission wird der Begriff Paint Reuse nicht näher definiert. Allgemein kann man davon ausgehen, dass beim Paint Reuse übriggebliebene und noch verwendbare Farbreste einem neuen Verwender überlassen werden, während beim Paint Recycling alte Farbreste aufbereitet und in neue Farben eingearbeitet werden, und somit ein neues Produkt entsteht. Beim Paint Recycling ist zudem zwischen Pre-Consumer und Post-Consumer zu unterscheiden: Ersteres deckt Abfälle ab, die während des Herstellungsprozesses entstehen, beispielsweise Fehlchargen. Letzteres hingegen bezeichnet Farben und Lacke, die nicht vollständig aufgebraucht wurden und als Abfall beim Endverbraucher anfallen. Während das Pre-Consumer-Recycling üblicherweise gut funktioniert und in vielen Firmen bereits implementiert ist, birgt das Post-Consumer-Recycling technische und regulatorische Herausforderungen. Um Paint Recycling effizient durchführen zu können, ist zudem die Bündelung entsprechender Mengen an geeigneten Farbresten notwendig. Paint Reuse ist im Vergleich einfacher durchzuführen, ist aber nur sinnvoll, wenn ein signifikanter Farbrest im Gebinde vorliegt.

 

Effektive Entsorgungswege in Deutschland etabliert

Die von der Prognos AG erstellte Studie „Analysis of waste paints and coatings in Germany“ (August 2022) hatte daher das Ziel, den aktuellen Sachstand bezüglich der Entsorgung von Farb- und Lackabfällen in Deutschland zu analysieren. Der Fokus lag dabei auf den Farbresten, die grundsätzlich für Paint Reuse und Paint Recycling in Frage kämen. Hierbei sind Farben und Lacke, welche durch private Anwender verwendet werden, besonders relevant, da das Thema Wiederverwendung dort von höherem Interesse ist. Zusätzlich werden auch die Abfallmengen aus dem industriellen und gewerblichen Bereich betrachtet. Eingetrocknete Farbreste, die beim privaten Endverbraucher anfallen, können in Deutschland über den Haushaltsmüll entsorgt werden. Sofern die Farbreste noch flüssig sind, sind diese über die kommunalen Wertstoffhöfe oder das Schadstoffmobil zu entsorgen. In Deutschland gibt es über 3.300 Wertstoffhöfe. Im gewerblichen Bereich, wie dem Handwerk, werden Farbreste üblicherweise über großgewerbliche Abfallstellen entsorgt. Das gleiche gilt für industrielle Verwendungen. Ferner sind im professionellen Bereich Ansätze wie Rücknahmesysteme und Leasing bereits etabliert. Zur Abfallanalyse wurden Daten aus dem Bericht zur Abfallentsorgung des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Für Farben und Lacke sind die Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung von Beschichtungen (Abfallschlüsselnummern 08) sowie Haushaltsabfälle und ähnliche gewerbliche und industrielle Abfälle (Abfallschlüsselnummern 20) relevant. Von Bedeutung für Paint Reuse und Recycling wären vor allem die Farb- und Lackabfälle, die Teil der Haushaltsabfälle sind.

 

 

Studie zeigt Potenziale auf

Laut Statistik fallen jährlich ca. 30.000 Tonnen Abfälle von Farben und Lacken (Abfallschlüsselnummern 20127, 20128) über den Wertstoffhof oder das Schadstoffmobil an. Verpackungen und andere Abfälle sind noch Teil dieser Abfallmasse, was zu einer Überschätzung führt. Konservativ lässt sich abschätzen, dass mindestens 5.000 Tonnen keine Farbabfälle sind, wodurch ca. 25.000 Tonnen als obere Grenze für die getrennt erfassten Farb- und Lackabfälle realistisch erscheinen. Weitere Farbabfälle der Endverbraucher werden zudem über den Restmüll entsorgt. Aus den Ergebnissen der bundesdeutschen Hausmüllanalyse lässt sich dazu schlussfolgern, dass ca. 15.000 Tonnen Farbabfälle (inkl. Verpackungen) dort pro Jahr zusätzlich anfallen. Es ist davon auszugehen, dass eine signifikante Menge an Farbresten auch in den Kellern der privaten Endverbraucher lagert, was sich aber nicht beziffern lässt. Diese werden oftmals für private Malerarbeiten später weiterverwendet und schließlich über den Haushaltsmüll entsorgt. Insgesamt lassen sich damit ca. 40.000 Tonnen zur Verfügung stehende Farb- und Lackabfälle abschätzen.

 

Keine Deponierung von Farb- und Lackabfällen in Deutschland

Die Verwertung und Beseitigung von Farb- und Lackabfällen in Deutschland findet im Einklang mit der Abfallhierarchie und den geltenden EU-Vorschriften statt. Aus der Statistik lässt sich entnehmen, dass im Falle der Abfallschlüsselnummer 08 vor allem die energetische Verwertung sowie die chemisch-physikalische Behandlung dominieren, während für die Siedlungsabfälle mit Abfallschlüsselnummer 20 die energetische Verwertung den größten Anteil ausmacht, wobei die Abwärme weitergenutzt wird. Es findet keine signifikante Deponierung statt.

 

Geringe Mengen an Farbabfällen für Paint Reuse geeignet

Aus technischen und regulatorischen Gründen ist davon auszugehen, dass nur bestimmte Farbabfälle grundsätzlich für eine Wiederverwendung in Frage kommen. Aus regulatorischer Sicht sind Farben und Lacke, die unter bestimmte Gefahrenkategorien der CLP-Verordnung fallen, weniger geeignet. Um dem Gesetzgeber und den Verbrauchern gerecht zu werden, müssen die Anforderungen bezüglich Umwelt und Gesundheit stets eingehalten sein. Auch technisch müssen die Farbreste in einem verwendbaren Zustand sein, dabei sind u.a. Verarbeitbarkeit, Verfärbungen, Verschmutzungen als auch Verkeimung zu beachten. Konservativ geschätzt dürften nicht mehr als die Hälfte der anfallenden Farb- und Lackreste in einem entsprechenden Zustand sein. Die Studie zur Abfallanalyse kommt daher zu dem Schluss, dass jährlich maximal 20.000 Tonnen an Farb- und Lackresten für Paint Reuse oder Paint Recycling geeignet wären. Das entspricht ca. zwei Prozent der im Jahr 2021 produzierten Menge an Bautenanstrichmitteln (980.000 Tonnen) in Deutschland.


KOMMENTAR

Der Verbraucher entscheidet

Betrachtet man den hohen Aufwand und die Kosten von Paint Reuse- und Recycling-Ansätzen, stellt sich die Frage, ob eine energetische Verwertung oder die chemisch-physikalisch Behandlung nicht nachhaltiger sind. Diese Verwertungsarten für Farbabfälle sind deutschlandweit bereits etabliert.

Zur Sammlung und Aufbereitung von Farbabfällen für Reuse und Recycling müsste in Deutschland erst eine eigene Infrastruktur geschaffen werden. Die Aufbereitung erfordert spezielles Knowhow der Abfallbehandlungs- und Aufbereitungsanlagen in den Bereichen Analyse und Formulierung von Farben. Zudem bleiben die regulatorischen Herausforderungen hinsichtlich der Einstufung und Kennzeichnung von recycelten Farben hoch: Recycelte Farben werden aufgrund eines WorstCase-Ansatzes eine Gefahrenkennzeichnung tragen müssen. All dies macht die Herstellung von recycelten Farben kostenaufwändiger.

Letztendlich wird der Verwender entscheiden, ob er für ein vermeintlich nachhaltigeres Produkt Abstriche in der Qualität beispielsweise hinsichtlich Farbton, Glanz und Verarbeitbarkeit in Kauf nimmt. Zunächst sollten daher Ansätze verfolgt werden, die in der ersten Ebene der Abfallhierarchie greifen, um Abfälle zu vermeiden und zu minimieren. Dies gelingt durch Aufklärung und Beratung der Verbraucher zur nachhaltigen Verwendung und Entsorgung von Farben. Viele Farbhersteller setzten diese Informationsanforderungen bereits heute um.


Dr. Sandra Heydel
arbeitet beim Verband als Referentin
Technische Gesetzgebung mit Schwerpunkt
Bauprodukte, Innenraumluft und Nachhaltigkeit.
heydel@vci.de