Die Herstellung und die Anwendung von Beschichtungsstoffen unterliegen den Regeln für die Emissionsbegrenzung von flüchtigen organischen Verbindungen. Der Immissionsschutz ist mittlerweile eine europäische Angelegenheit. Die entsprechenden Richtlinien der EU werden in Deutschland durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit den entsprechenden nachgeordneten Verordnungen umgesetzt. Wichtig in diesem Zusammenhang sind für die Lack- und Druckfarbenbranche die 4. und die 31. BImSchV.
Im November 2010 wurden die schon seit vielen Jahren existierenden verschiedenen EU-Vorschriften zur Luftreinhaltung in der europäischen Industrie-Emissionsrichtlinie (IED) zusammengefasst. Die Richtlinie wurde am 24. November 2010 verabschiedet und ist am 07. Januar 2011 in Kraft getreten. Anschließend folgte die Übernahme in deutsches Recht. Für den Lackbereich betraf dies hauptsächlich die 4. BImSchV sowie die 31. BImSchV, die zum 2. Mai 2013 novelliert wurden. Auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das die grundsätzlichen Anforderungen regelt, wurde zum 2. Mai 2013 an die IED angepasst. Die oben genannten Durchführungsverordnungen des BImSchG bilden das geltende Recht für Lackhersteller und Lackanwender. Soweit die Regelungen im BImSchG bzw. den BImSchVen nicht bereits abschließende Regelungen enthalten, sind im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die Vorgaben der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) als Verwaltungsvorschrift zu beachten.
Die Neufassung der 31. BImSchV vom 2. Mai 2013 enthält an verschiedenen Stellen Hinweise auf den Stand der Technik, die nachfolgend im Lichte von früheren Erfahrungen mit Genehmigungsbehörden, Urteilen von Verwaltungsgerichten und Gesprächen mit Umweltministerien der Bundesländer erläutert werden:
Stand der Technik1 in der 31. BImSchV
§ 3 (7) Allgemeine Anforderungen
Auf genehmigungsbedürftige Anlagen wird stets der Stand der Technik […] angewendet. Hieraus können sich über Absätze 2 bis 4 hinausgehende Anforderungen ergeben (Anm.: CMR-Stoffe, TA Luft Klasse I, Anlagen mit mehreren Tätigkeiten).
§ 4, Satz 4 Spezielle Anforderungen
Auf genehmigungsbedürftige Anlagen wird stets der Stand der Technik […] angewendet. Hieraus können sich über die Sätze 1 und 2 hinausgehende Anforderungen ergeben (Anm.: Grenzwerte, Reduzierungsplan).
Anhang III, Nr. 16.1.4 Anlagen zur Herstellung von Anstrich- oder Beschichtungsstoffen sowie Herstellung von Bautenschutz- oder Holzschutzmitteln, Klebstoffen oder Druckfarben, Besondere Anforderungen
Bei genehmigungsbedürftigen Anlagen gelten aus Vorsorgegründen zusätzlich zum Gesamtemissionsgrenzwert nach Nummer 16.1.1 die Anforderungen nach Nummer 16.1.2 für gefasste behandelte Abgase; die Anwendung des Standes der Technik auf alle gefassten Abgase wird hierbei vorausgesetzt.
Die TA Luft wird allgemein als die Vorschrift angesehen, die den Stand der Technik konkretisierend beschreibt. Daher wurden in der Vergangenheit durch die zuständigen Genehmigungsbehörden bei genehmigungsbedürftigen Lackieranlagen auf Grundlage ähnlicher Formulierungen in der vorherigen Fassung der 31. BImSchV mehrmals Genehmigungsauflagen auf Grundlage der 31. BImSchV (Reduzierungsplan) und der TA Luft (Emissionsgrenzwert 50 mg C/m³) kombiniert. Diese zeitweilig geübte Praxis für Anlagen mit einem Lösemittelverbrauch von mehr als 15 t/a ist jedoch aus mehreren Gründen nicht sachgerecht. Von besonderer Bedeutung ist die Definition des Standes der Technik vor allem für genehmigungsbedürftige Lackieranlagen.
Lackieranlagen mit einem Lösemittelverbrauch mit weniger als 15 t pro Jahr und Anlagen zur Herstellung von Beschichtungsstoffen mit einem Lösemittelverbrauch von weniger als 25 t pro Tag sind nicht genehmigungsbedürftig nach BImSchG und daher von den Regelungen nicht betroffen.
Für Lackieranlagen mit einem Lösemittelverbrauch zwischen 15 und 200 t/a kann festgehalten werden, dass
- die Anforderungen von § 5 (1) Satz 2 BImSchG (Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen nach dem Stand der Technik) in erster Linie durch die Regelungen der 31. BImSchV für Anlagen mit Lösemittelverbrauch > 15 t/a konkretisiert werden,
- die deutsche Umsetzung bereits seit 2001 Anforderungen enthält, die mit Blick auf den Stand der Technik über die Mindestanforderungen der Richtlinie 1999/13/EG hinaus gehen (Gesamtemissionsgrenzwerte für die Fahrzeugserienlackierung, Verbrauchsschwellen für die Anwendung der 31. BImSchV in mehreren Bereichen, Faktoren für Bezugsemissionen und Zielemissionen in mehreren Bereichen, Anwendung von Konzentrationsgrenzwerten auf gefasste behandelte Abluft),
- die Gleichwertigkeit eines Reduzierungsplans in Anhang IV B bereits grundsätzlich festgestellt ist.
Für Anlagen mit einem Lösemittelverbrauch von mehr als 200 t/a gilt seit Mai 2013 zusätzlich, dass
- die Umsetzung des Standes der Technik gemäß BVT-Merkblatt durch nochmals abgesenkte Grenzwerte für Tätigkeiten nach Nr. 4.3 (Anlagen zum Beschichten von Nutzfahrzeugen), Nr. 8.1 (Anlagen zum Beschichten von sonstigen Metall- oder Kunststoffoberflächen) und Nr. 9.2 (Anlagen zum Beschichten von Holz oder Holzwerkstoffen mit einem jährlichen Lösemittelverbrauch von mehr als 15 Tonnen) in vollem Umfang erreicht wird.
Reduzierungspläne contra Grenzwert-Konzept
Die 31. BImSchV schafft grundsätzlich die Möglichkeit, Reduzierungspläne aufzustellen und daraus prozessbezogene bzw. durchsatzbezogene Gesamtemissionsbegrenzungen abzuleiten, während die TA Luft auf das alte und einseitige Prinzip des Konzentrationsgrenzwertes beschränkt bleibt. Die 31. BImSchV ist als Verordnung unmittelbar geltendes Recht, die TA Luft ist dagegen eine nachrangige Verwaltungsvorschrift und sollte nur für Fälle herangezogen werden, die in der 31. BImSchV nicht geregelt sind.
Die 31. BImSchV bezieht sich an mehreren Stellen ausdrücklich auf die TA Luft (Stoffe der Klasse I, Ableitbedingungen, Messmethoden). Wenn jedoch an anderer Stelle allgemein auf den Stand der Technik verwiesen wird, so ist hiermit nicht ausdrücklich und nicht ausschließlich die TA Luft gemeint.
Es ist zu erwarten, dass bei Anwendung der TA Luft die Anforderungen von § 5 (1) Satz 2 BImSchG regelmäßig erfüllt werden. Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass zur Erfüllung der Ziele des BImSchG stets die Grenzwerte gemäß TA Luft einzuhalten sind.
Die vorgenannten Argumente wurden auch vom Verwaltungsgericht Arnsberg (Az. K2305/07, 18.09.2008) herangezogen, das in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Wahlfreiheit des Betriebs hinsichtlich des Konzepts zur Emissionsminderung gemäß 31. BImSchV nicht durch die Forderung nach starren Grenzwerten gemäß TA Luft unterlaufen werden darf, solange die Grundsätze des BImSchG für genehmigungsbedürftige Anlagen angemessen berücksichtigt werden.
Zweifel von Genehmigungsbehörden an der Gleichwertigkeit von Emissionsgrenzwerten nach Anhang III der 31. BImSchV mit Reduzierungsplänen nach Anhang IV gab es in der Vergangenheit in Einzelfällen, die dann zu ergänzenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung führten. Mit den in der Neufassung der 31. BImSchV geänderten Vorschriften könnten sich nun Zweifel für einzelne genehmigungsbedürftige Anlagen ergeben.
In Gesprächen des VdL mit Umweltministerien der Länder wurde zuletzt Übereinstimmung darüber erzielt, dass im Rahmen der anwendbaren Gesetze
- der Stand der Technik sich in erster Linie auf produkt- und prozessintegrierte Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Emissionen bezieht,
- Sekundärmaßnahmen nur dort angemessen sind, wo Betriebe die Primärmaßnahmen nicht umsetzen wollen oder können oder wo Betriebe mittels Primärmaßnahmen die Anforderungen der 31. BImSchV oder die Ziele des BImSchG nicht erfüllen.
Sofern Genehmigungsbehörden im Einzelfall von dieser Linie abweichen sollten, haben die Umweltministerien der Bundesländer Unterstützung bei der Klärung von Zweifelsfragen zugesagt.
Als Stand der Technik ist im BImSchG definiert: Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.