In dieser Rubrik lassen wir auch stets den Blick von außen zu. Hier können uns Autoren mit dickem Buntstift etwas ins Stammbuch schreiben. Diesmal Dr. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI).
DIE CHEMISCH-PHARMAZEUTISCHE INDUSTRIE AGIERT IN EINEM HERAUSFORDERNDEN UMFELD
Die Digitalisierung bringt tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik mit sich. Gleichzeitig hat das Bewusstsein der Bürger für die Auswirkungen des Klimawandels und die Notwendigkeit, Stoffe in Kreisläufen zu führen, zugenommen. Sie fordern immer eindringlicher, dass die Industrie nachhaltig wirtschaftet. Diesem Wandel muss sich unsere Branche stellen, mehr noch: Sie muss ihn mitgestalten. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass die chemisch-pharmazeutische Industrie weiterhin erfolgreich am Standort Deutschland produzieren und investieren kann.
Das Präsidium des VCI diskutiert zurzeit darüber, wie der Verband diesen Wandel strategisch und kommunikativ unterstützen kann. Dabei spielen die Fachverbände eine wesentliche Rolle. Denn gerade ihr Wissen um die Bedürfnisse der Endkunden und der Politik vor Ort werden darüber entscheiden, welche konkreten Maßnahmen nötig und wie realisierbar sind.
Um auf dem Weg in eine gute Zukunft eine zusätzliche Orientierung zu erhalten, hat der VCI von außen auf unsere Branche blicken lassen. Er hat nachgehakt, was genau „den Wandel mitgestalten“ bedeuteten könnte, welche Weichen gestellt werden sollten. Dazu wurden zwei Studien in Auftrag gegeben.
KUNDEN FORDERN EINEN WANDEL
In der ersten Studie wurden unsere Kundenbranchen nach ihren Erwartungen an die chemisch-pharmazeutische Industrie befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich in allen Industriezweigen die Anforderungen in den Wertschöpfungsketten und damit an die Chemie als Vorlieferant verändern. Die Kunden fordern von der Chemieindustrie einen grundlegenden Wandel ein. Sie erwarten zum Beispiel, dass die Branche mehr als heute bereit und fähig ist, neue Lösungsansätze auszuprobieren und flexibler zu produzieren. Ein zentrales Anliegen ist ein mehr an Transparenz darüber, „was“ ein Produkt enthält und „wo“ es hergestellt wurde. Auch wird der Wunsch nach mehr recyclingfähigen und klimaschonend hergestellten Materialien immer stärker.
CHEMIE WILL KLIMANEUTRALE PRODUKTION SCHNELL ERREICHEN
Die zweite Studie ist vor dem Hintergrund der Klimaschutzdiskussion von besonderer Bedeutung. Sie zeigt auf, mit welchen Technologien, Investitionen und energiepolitischen Voraussetzungen die chemische Industrie bis 2050 treibhausgasneutral werden kann. Mit diesem Wissen kann sich der VCI fundiert in die politische Diskussion um das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung einbringen. Unsere Botschaft: Die Chemiebranche nimmt die Herausforderung einer klimaneutralen Produktion an und will hier die weltweite Technologieführerschaft erreichen.
WETTBEWERBSFÄHIGE STROMPREISE MÜSSEN SEIN
Energiepolitische Voraussetzungen für die Treibhausgasneutralität der deutschen Chemie sind vor allem wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie und eine verlässlichere Umsetzung der Energiewende, denn die neuen strombasierten Verfahren lassen den Strombedarf der Branche um das Elffache steigen.
NACHHALTIGKEIT ALS CHANCE
Wenn die Politik den Transformationsprozess also mit den richtigen Rahmenbedingungen unterstützt, ist es möglich, umfassenden Klimaschutz zu betreiben und zugleich die globale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu erhalten.
Für die Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie wird ein „weiter so wie bisher“ nicht ausreichen, um auf lange Sicht ihren Erfolg zu sichern. Es ist höchste Zeit, dass sich jedes Unternehmen mit dem fundamental wandelnden Umfeld intensiv auseinandersetzt und Nachhaltigkeit vor allem als Chance begreift. Wichtig dabei ist, dass wir als Branche gemeinsam an einem Strang ziehen und vorangehen.