Unmittelbar vor der Bundestagswahl besuchte der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Thorsten Lieb im Rahmen von „VdL vor Ort“ das Druckfarbenunternehmen RUCOINX in Eppstein. Ein zentrales Thema des Besuchs war die Frage, wie sich ein mittelständisches Unternehmen strategisch aufstellt, um Arbeitsplätze am Standort Deutschland zu erhalten. Besonders die zunehmende Bürokratie und Regulierungsdichte auf deutscher und europäischer Ebene stellt dabei eine massive Belastung dar.
Geschäftsführer Thomas Kleps berichtete über den laufenden Modernisierungsprozess mit rund 140 Mitarbeitern. Das 1857 gegründete Unternehmen wurde 2020 vom amerikanischen Druckfarbenhersteller INX International, der zur japanischen SAKATA INX-Gruppe gehört, übernommen, und sicherte sich damit sein Fortbestehen in einer wirtschaftlich immer schwieriger werdenden Umgebung. Das Unternehmen ist einer von vier Standorten der Gruppe, die beabsichtigt, mehrere Millionen Euro in die Modernisierung des Standortes zu investieren. Allein das Genehmigungs- und Baurecht stellt dabei eine enorme Hürde dar – selbst für kleine bauliche Veränderungen, wie eine drei Meter lange Brücke auf dem Werksgelände, müsse viel Zeit für die Antragsbearbeitung eingeplant werden, berichtet Kleps dem Gast. Zusätzlich erschwerten bürokratische Auflagen, wie z.B. umfangreiche Nachhaltigkeitsberichtspflichten, die Entwicklung des Unternehmens. Beispielhaft sind bei RUCOINX allein sieben Mitarbeiter ausschließlich mit der Bewältigung regulatorischer Anforderungen beschäftigt. Besonders problematisch ist das sogenannte „Gold Plating“, bei dem europäische Vorschriften in Deutschland noch weiter verschärft werden.
VdL-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Kanert forderte, dass sich die deutschen Bundesministerien künftig wesentlich proaktiver und frühzeitiger in den europäischen Rechtsetzungsprozess einschalten müssen als bislang. Die deutsche Politik sollte die Interessen der heimischen Industrie vertreten und die Praxistauglichkeit europäischer Vorschriften kritisch prüfen. „Wie soll ein mittelständisches Unternehmen unter diesen Bedingungen seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber internationaler Konkurrenz erhalten und aus der aktuellen Krisensituation herauskommen?“, fragte Kleps – und lieferte die ernüchternde Antwort gleich mit: „Gar nicht. Die Politik muss endlich aufwachen und handeln.“
Mit Blick auf die geplante REACH-Revision forderte Dr. Kanert, dass unter dem Stichwort „Vereinfachung“ nicht weitere pauschalte Stoffverbote verstanden werden dürften. Stattdessen brauche es einen maßgeschneiderten Case-by-Case-Ansatz, der sich an dem tatsächlichen Risiko orientiert. Zudem müsse die EU-Kommission insbesondere die Funktionalität chemischer Produkte wie der von Druckfarben viel stärker berücksichtigen. Dr. Lieb stimmte dem zu und kritisierte die Überregulierung der deutschen Industrie: „Diese Bürokratie ist Ausdruck eines tiefen Misstrauens der Politik gegenüber der Wirtschaft – und das ist grundlegend falsch. Wir müssen diesen Kurs dringend ändern.“ Die Politik müsse jetzt handeln, um fairere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und dem Mittelstand die notwendige unternehmerische Freiheit zu geben.
Alle Gesprächspartner waren sich einig, dass Bürokratieabbau jetzt aktiv vorangetrieben werden muss – sowohl auf Bundesebene wie auf EU-Ebene. Neue Berichts- und Dokumentationspflichten müssen vermieden und bestehende auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden. Dr. Lieb ergänzte, dass die Verwaltung sich als Partner der Industrie verstehen sollte.