Mit Freude habe ich die Überschrift über diesen Kommentar gewählt – und dahinter ein Ausrufezeichen gesetzt. Denn das Urteil zur Einstufung des Weißpigments ist tatsächlich ein großes Ausrufezeichen in der europäischen Chemikalienregulierung.
Die chemische Industrie und die Farbenindustrie sind Kummer mit der Einstufung von Stoffen gewohnt. Oft werden unsere Bedenken nicht beachtet, Einwände ignoriert, Vorbehalte von den Verantwortlichen zur Seite gewischt. Titandioxid trieb dies auf die Spitze: Als der RAC und die EU-Kommission das traditionelle Weißpigment als krebserregend einstuften, war der Ärger in der Branche spürbar, fast schon eine Wut greifbar: jetzt auch noch Titandioxid!
Und es war bezeichnend, dass der Widerstand in der Lack- und Druckfarbenindustrie begann und von ihren Firmen getragen wurde. Darauf können wir stolz sein, denn wer nun das Urteil liest, fühlt sich auf 25 Seiten bestätigt. Die Richter legen die Finger tief in die Wunde, wenn sie eine intrinsische Eigenschaft des Stoffes fordern, um eine chemikalienrechtliche Einstufung zu rechtfertigen. Und hat die Industrie nicht von Anfang an die Qualität der Studien zu Titandioxid infrage gestellt?
Es ist fast schon skandalös, wie unbeeindruckt Kommission und die europäischen Behörden ihr Vorhaben immer weiter vorantrieben, ohne diese und viele andere, nun gar nicht mehr verhandelten Einwände zu prüfen. Es brauchte Juristen, um Verstöße gegen den Wortlaut des Gesetzes und Grundlagen der Naturwissenschaften zu stoppen. Das Beste: Auch künftige Einstufungen können kaum ergehen, ohne dieses Urteil und seine Anforderungen an Studien-
qualität und Stoffeigenschaft zu beachten.
Glaubt man den Fachleuten, steht dieses Urteil auf zwei stabilen Säulen, die auch ein mögliches Rechtsmittel nur schwer zu Fall bringen kann. Darauf will ich gerne ebenso vertrauen wie darauf, dass künftig in Europa mehr Augenmerk, Verlässlichkeit und Vernunft in der Chemikalienregulierung herrschen!
