Lacke & Farben aktuell

Serie: European Green Deal (IX)

|   Green Deal

Renovierungswelle rollt durch Europa

Horrend steigenden Energiepreisen und gnadenlosen Hitzewellen ausgeliefert, begreifen viele EU-Bürger im Sommer 2022 den akuten Handlungsbedarf im Gebäudesektor. Das Stichwort lautet dabei Gebäudeenergieeffizienz, welche nicht nur die Geldbörse der Verbraucher schonen soll, sondern auch einen erheblichen Beitrag zu den ambitionierten Klimaschutzzielen des Green Deals leisten soll. Laut EU-Kommission entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU und 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgas­emissionen auf Gebäude.

Um die Vision eines emissionsfreien Gebäudebestands bis 2050 zu erreichen, wird beabsichtigt, die Renovierungsquote in den nächsten zehn Jahren mindestens zu verdoppeln und durch Renovierungen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz zu sorgen. Dies soll dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen, die in diesen Gebäuden leben, zu verbessern, die Treibhausgas-Emissionen in Europa zu verringern, die Digitalisierung zu fördern und mehr Werkstoffe wiederzuverwenden und zu recyceln.

Umsetzen soll dies vor allem die sogenannte Renovierungswelle. Diese sieht vor, die jährlichen energetischen Renovierungsquoten in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln. Als Kennzahlen bis zum Jahr 2030 werden dazu 35 Millionen renovierte Gebäude und bis zu 160 000 zusätzliche Arbeitsplätze im Baugewerbe genannt. Neben der Verringerung von Emissionen sollen diese Renovierungen die Lebensqualität der Bewohner verbessern, viele zusätzliche Arbeitsplätze im Bausektor schaffen und Innovationen im Mittelstand fördern.

In der Renovierungswelle werden drei Schwerpunktbereiche festgelegt:

  • Bekämpfung der Energiearmut & Maßnahmen gegen ineffiziente Gebäude
  • Öffentliche Gebäude & soziale Infrastruktur
  • Dekarbonisierung von Heizung und Kühlung

Um rasch Fortschritte zu erzielen, soll sich zunächst auf Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz mittels kosteneffizienter Renovierungen konzentriert werden. Ab dem Jahr 2030 sollen alle neuen Gebäude emissionsfrei sein, im öffentlichen Sektor sogar bereits ab 2027. Das heißt beispielsweise, dass Gebäude wenig Energie verbrauchen sollten, so weit wie möglich mit erneuerbaren Energien betrieben werden und ihr Energieausweis auf Grundlage ihrer Emissionen über den gesamten Lebenszyklus basieren müsse. Auf EU-Ebene sollen für Renovierungen neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz eingeführt werden. Zusätzlich soll ein „Renovierungspass“ für Gebäude gelten.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, Renovierungserwägungen in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierungen aufzunehmen und geeignete Instrumente insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen zu schaffen. Ab 2027 sollen keine finanziellen Anreize mehr für den Einbau von Heizkesseln für fossile Brennstoffe gewährt werden, und die Mitgliedstaaten erhalten die rechtliche Möglichkeit,
die Verwendung fossiler Brennstoffe in Gebäuden zu verbieten.


Das sagt der VdL

Unter den vielen herausfordernden Maßnahmen des Green Deals könnte sich die Renovierungswelle als echte Chance herausstellen. Viele Farben und Lacken erfüllen wichtige Funktionen
in der Steigerung der Gebäudeenergieeffizienz. So wird die Fassade mit Bautenanstrichmitteln und Putzen langfristig vor Wind und Wetter geschützt, neue Fenster und Türen beispielsweise durch Holz- oder Pulverlacke. Neue Heizungsanlagen, Wärmepumpen oder Smart-Home-Anwendungen werden ebenfalls für ein langes Produktleben beschichtet. Doch auch außerhalb des eigentlichen Gebäudes spielen Lacke in der
Renovierungswelle eine Rolle: Erst Maschinen wie Bagger und Kräne füllen Baustellen mit Leben, und diese sind mit vielfältigen Lacktechnologien innen und außen beschichtet, um auch hohen Belastungen und Wettereinflüssen dauerhaft standzuhalten.

Damit also die Renovierungswelle ihr volles Potenzial für den Green Deal erfüllen kann, ist es von großer Bedeutung, dass die Produktperformance von Farben und Lacken erhalten bleibt
und nicht durch Maßnahmen anderer Politikbereiche des Green Deals, wie etwa der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit, zunichte gemacht wird. Um nachhaltig auf der Renovierungswelle zu reiten, muss der Green Deal ganzheitlich umgesetzt und Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Maßnahmen-
paketen aufgelöst werden.


Lucas Schmidt-Weihrich
ist Referent für Public Affairs
beim VdL.
schmidt-weihrich@vci.de