Lacke & Farben aktuell

Serie: European Green Deal (IX)

|   Green Deal

Nachhaltiges Produktdesign und digitaler Produktpass für den EU-Markt

Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission im Rahmen des europäischen Green Deals das lange erwartete erste Paket zur Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Enthalten sind darin Vorschläge, wie nachhaltige Produkte in der EU zur Norm werden, wie kreislauforientierte Geschäftsmodelle ermöglicht und wie Verbraucher für den grünen Wandel gestärkt werden sollen.

Bereits im Juli 2021 haben wir an dieser Stelle über die Pläne der EU-Kommission berichtet. Schlüsselinitiative des ersten Pakets zur Kreislaufwirtschaft ist für die Lack- und Druckfarbenbranche der Vorschlag einer Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR).

Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR)

Der Vorschlag zur ESPR ist ehrgeizig und erweitert den Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) von energieverbrauchsrelevanten Bauprodukten auf nahezu alle Kategorien – mit Aus­nahme von Bauprodukten, Lebensmitteln, Futtermitteln und Arzneimitteln. Nach ihrer Verabschiedung wird die Verordnung einen allgemeinen Rahmen schaffen, der Ökodesign-Anforderungen an Produkte stellt, die für den EU-Markt bestimmt sind.

Die Kommission hat angekündigt, dass sie bis Ende 2022 eine öffentliche Konsultation zu den Produktgruppen durchführt, die im Rahmen des ersten Arbeitsplans für die ESPR ausgewählt werden sollen. Eine vorläufige Bewertung hat ergeben, dass in mehreren Branchen Handlungsbedarf im Zuge der Nachhaltigkeits­vorschriften besteht. Neben Reinigungs- und Schmiermitteln, Textilien, Möbeln, Reifen, Matratzen, Eisen sowie Stahl, werden auch Farben und Verpackungen aufgeführt.

"We want sustainable products to become the norm on the European market. (…) Products we use need to be durable, reliable, reusable, and repairable."
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Umweltschutz

Nachhaltiges Produktdesign

Mit der ESPR wird beabsichtigt, das jeweilige Design zu überprüfen, um den Umwelt- und Nachhaltigkeitsbedenken, die sie derzeit aufwerfen, gerecht zu werden. Dazu sind sowohl Leistungs- als auch Informationsanforderungen vorgesehen. Bei den Leistungsanforderungen geht es u. a. um die Einhaltung von Vorschriften über Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit, ökologischen Fußabdruck, Kohlenstoff-Fußabdruck, Frei­setzung von Mikroplastik, Vorhandensein bedenklicher Stoffe und Abfallerzeugung. In der Praxis könnte dies beispielsweise eine Verpflichtung zur Einhaltung von Vorschriften über den Mindestrecyclinganteil für Farben, oder die Umstellung auf ein Produkt-als-Dienstleistung-Geschäftsmodell bedeuten.

Für die ESPR-Produktgruppen sind zudem eine Konformitätsbewertung durch Dritte vorgesehen, sowie eine Konformitäts­erklärung (Declaration of Conformity, DoC) und eine CE-Kennzeichnung vorgeschrieben. Eine Zertifizierung der Produktleistung durch Dritte ist mit Audits, Akkreditierungen und Prüfungen verbunden.

Im Rahmen der Informationspflichten müssen Einzelheiten über die Leistung eines Produkts, wie oben definiert, mit dem Produkt geliefert werden. Der Vorschlag sieht vor, dass diese Informationen auf dem Produkt, der Verpackung, dem Etikett, der Webseite, dem Handbuch oder in einem Produktpass enthalten sein können.

Der digitale Produktpass

Es ist kein Geheimnis, dass die EU-Kommission die Digitalisierung als Voraussetzung für ein grünes, nachhaltiges Europa betrachtet. Die Digitalisierung erleichtert die Rückverfolgbarkeit, vereinfacht die Marktüberwachung und fördert die Einhaltung der Vorschriften. Der digitale Produktpass (DPP) wird in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen. Jedes Produkt, das in der EU in Verkehr gebracht wird, soll mit einem maschinenlesbaren Pass ausgestattet sein, der durch Scannen eines Datenträgers zugänglich und mit einem eindeutigen Produktkennzeichen verknüpft ist. Um die Durchsetzung der Ökodesign-Anforderungen zu erleichtern, wird die Kommission ein Register für Produktpässe einrichten, in dem alle Daten über die in der EU in Verkehr gebrachten Produkte gespeichert werden.

Neben der ESPR enthält das erste Paket zur Kreislaufwirtschaft auch Vorschläge zur Überarbeitung der Bauprodukte­verordnung, Regeln zur Stärkung der Verbraucher in der grünen Transformation sowie eine neue EU-Strategie für nachhaltige Textilien.

Ausblick

Im November 2022 wird ein weiteres Paket zur Kreislaufwirtschaft erwartet, darunter ein Vorschlag über Nachweise zu Umweltleistungen von Produkten und Unternehmen, die sich auf die Methoden des Products Environmental Footprint (PEF) und des Organisations Environmental Footprint (OEF) stützen dürften. Auch die Überarbeitung der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle soll Teil dieses Pakets sein.


Das sagt der VdL

Nachhaltigkeit muss ganzheitlich gedacht werden. Bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit von Produkten sollten dessen potenzielle Nachhaltigkeitsfunktionen im Sinne des Green Deals und der ESPR berücksichtigt werden. Langlebiger Werterhalt, Reparierbarkeit und Kreislauffähigkeit sind bereits jetzt Schlüsselfunktionen von Farben und Lacken. Um tatsächlich nachhaltige Produkte zu fördern, ist die Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklus in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) notwendig. Das gilt von den Rohstoffen über die Produktherstellung bis hin zu den Recyclingprozessen.

Dabei schließen sich Nachhaltigkeit und gefährliche Stoffe nicht aus. Denn oft macht der Einsatz gefährlicher Stoffe nachhaltige Verfahren, Produkte und Anwendungen erst möglich. Die hierfür benötigte Funktionalität bzw. Reaktivität chemischer Stoffe, etwa bei Zweikomponenten-Beschichtungsmitteln, ist zum Erreichen der gewünschten langlebigen Produktfunktion essenziell. Im Vordergrund muss deshalb die sichere und nachhaltige Verwendung von Stoffen stehen. Auch ist es wichtig, dass die ESPR nicht zu Doppelregulierungen führt, sondern im Einklang mit bestehenden Regulierungen wie REACH oder Produkt- und Abfallregularien steht.

Bei der Ausgestaltung des digitalen Produktpasses (DPP) ist es von zentraler Bedeutung, dass Geschäftsgeheimnisse, Rechte an geistigem Eigentum und Wettbewerbsregeln geschützt bleiben. Eine Auflistung aller bedenklichen Stoffe, um die Rückverfolgung dieser über den gesamten Lebenszyklus der Produkte zu ermöglichen, würde dies gefährden. Deshalb sollte nur Zugang zu einer bestimmten Auswahl relevanter Arten von Informationen gewährt werden, um eine Offenlegung von Lieferketten oder Rezepturen zu vermeiden. Um den Verwaltungsaufwand gering zu halten, sollten die Berichtspflichten im Rahmen des DPP in einem einzigen Format für alle Akteure der Wertschöpfungskette erfolgen. Denn erhöhte Informationspflichten wären eine enorme Belastung für die Industrie, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.


Hier finden Sie die VdL-Stellungnahme zum Entwurf der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte.


Lucas Schmidt-Weihrich
ist Referent für Public Affairs
beim VdL.
schmidt-weihrich@vci.de