Lacke & Farben aktuell

Pulverlacke mit antimikrobieller Wirkung

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Dr. Christoph Schumacher, Head of Development Powder Coatings, Karl Bubenhofer AG

Pulverlacke mit antimikrobieller Wirkung sind immer mehr gefragt. Ins­besondere die Coronapandemie hat die Nachfrage steigen lassen. Doch die Politik muss Herstellern mehr Planungssicherheit geben, meint Dr. Christoph Schumacher, Head of Development Powder Coatings, von der Karl Bubenhofer AG.

Seit wann gibt es Pulverlacke mit antimikrobieller Wirkung?

Solche Lacke sind schon seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt. Ich hatte mich bereits im Rahmen meiner Doktorarbeit mit Polymeren beschäftigt, darunter auch Kunststoffe mit antimikrobiellen Eigenschaften. Diese wurden beispielsweise
zur Herstellung von Medikamentenverpackungen eingesetzt, aber auch zur Produktion von Spritzgussteilen wie Sitzschalen oder Kunststofffasern für Textilien. Und eben auch für spezielle Beschichtungen.

Es gibt ja mehrere Möglichkeiten, Lacke mit antimikro­biellen Eigenschaften zu versehen. Welches sind die gängigsten Funktions­prinzipien?

Die einfachste Option ist, einen antimikrobiellen Wirkstoff in den Lack einzubetten. Er wird aktiv, wenn sich Mikroorganismen auf der Oberfläche vermehren wollen. Dies ist besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit, Wärme und entsprechendem Nährboden der Fall. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Materialien einzubinden, die mit Sauerstoff oder durch die Einwirkung von Licht auf der Oberfläche Radikale bilden können. Diese besonders reaktionsfreudigen Moleküle hemmen das Wachstum der Mikroorganismen oder töten sie direkt ab. Der Nachteil: Bei Abwesenheit von Licht setzt die Wirkung aus. Deshalb enthalten die uns bekannten antimikrobiellen Pulverlacke stets Wirkstoffe, die aktiv über die Oberfläche abgegeben werden, und zwar unabhängig von der Lichteinwirkung. Hierzu zählen zum Beispiel Silberionen. Ähnliche Effekte wie Silber lassen sich auch mit Zink und Kupfer erzielen. Auch diese Metalle werden in Lacken eingesetzt.
 
Welche Rolle spielt dabei die Beschaffenheit der Oberfläche?

Eine zentrale. Prinzipiell sollten Oberflächen so beschaffen sein, dass sich Mikroorganismen dort gar nicht erst ansiedeln können. Deshalb sollte die Oberfläche möglichst glatt und eben sein. So ist sie auch besser zu reinigen. Darüber hinaus sollte die Pulverlackoberfläche auch eine gute Beständigkeit gegenüber Reinigungsmitteln aufweisen. Denn gerade im medizinischen Bereich sind engmaschige Desinfektions- und Reinigungszyklen für Oberflächen vorgeschrieben.
 
Lässt die Wirkung durch die häufige Reinigung nicht mit der Zeit nach?

Die Lacke sind so beschaffen, dass sie über sehr lange Zeiträume Wirkstoff freisetzen können. Dazu sind sie mit einem ausreichend großen Wirkstoffreservoir ausgestattet. Selbst aggressive und keimtötende Desinfektionsmittel und häufige Reinigungszyklen mindern die Effektivität und Wirkungsdauer nicht.

Machen diese Wirkstoffe auch Viren unschädlich?

Ja, Studien haben gezeigt, dass wirkstoffhaltige Lacke auch Viren unschädlich machen. Klar ist allerdings: Nicht jeder antimikrobielle Wirkstoff hemmt jeden Mikroorganismus gleichermaßen effektiv. Entscheidend ist die Frage, ob eine Krankheit überhaupt durch Oberflächenkontakt übertragen wird. Die Hauptübertragungswege beim Coronavirus sind zum Beispiel Aerosole, nicht Oberflächen. Daher finde ich Werbeaktionen, die speziell auf die Erfolge bei Coronaviren abzielen, wenig zielführend. Nichtsdestotrotz hat die Pandemie die Nachfrage nach antimikrobiell wirksamen Lacken nach oben getrieben.

Womit wir bei den Anwendungen wären. Wo werden antimikrobielle Lacke eingesetzt?

Das primäre Anwendungsfeld ist der Innenbereich, und zwar im öffentlichen Verkehr sowie in medizinischen und sanitären Einrichtungen. In Bussen und Bahnen bieten sich beispielsweise lackierte Haltestangen an, generell alle Oberflächen mit häufigem Hautkontakt. Im medizinischen Bereich sorgen lackgeschützte Oberflächen von Mobiliar und Behandlungsgeräten für eine erhöhte Hygiene und Sicherheit. So gesehen sind solche Lacke gerade für die Gesundheitsbranche attraktiv.

Wie schätzen Sie das Ent­wicklungspotenzial dieser Lacke ein?

Prinzipiell gibt es Möglichkeiten, die Produkte weiter zu verbessern. Etwa, indem wir Wirkstoffe einbauen, die zum Beispiel weniger Resistenzen bei Mikroorganismen erzeugen noch besser verträglich für Mensch und Umwelt sind. Universitäten und Fachhochschulen haben die Chancen von antimikrobiell wirkenden Beschichtungen erkannt und intensivieren die Forschung. Im Vordergrund stehen dabei neuartige Materialien und das Verständnis für Wirkungsmechanismen. Es ist allerdings schwierig, diese zum Teil sehr innovativen Konzepte marktfähig zu machen.

Denn rechtlich gesehen handelt es sich bei antimikrobiell wirkenden Lacken um Biozidprodukte und diese unterliegen den strengen Vorgaben der europäischen Biozidprodukteverordnung. Bevor ein solcher Lack auf den Markt kommen darf, muss er angemeldet und zugelassen werden. Das erfordert aufwendige und teure toxikologische Studien. Hersteller müssen hier genau abwägen, ob sie dafür mehrere Millionen Euro investieren wollen.

Was müsste sich ändern, damit die Branche hierzulande von verbesserten Produkten profitieren kann?

Als Hersteller fordern wir, dass die Politik bei der Gesetzgebung mit mehr Augenmaß vorgeht. Rechtliche Leitplanken zu setzen, ist zweifellos richtig und wichtig, damit eine sichere Stoffanwendung gewährleistet ist. Aber ökonomische und bürokratische Hürden dürfen nicht dazu führen, dass innovative Lösungen – Stichwort Smart Surfaces – von vornherein vom Markt ausgeschlossen werden. Solche Beschränkungen würden zudem Wettbewerbsnachteile gegenüber dem regulatorisch viel weniger eingeschränkten Technologiemärkten wie USA und Asien nach sich ziehen. Auch dies sollte die Politik ins Kalkül ziehen, wenn sie die Biozidprodukteverordnung aktualisiert.

Vielen Dank für das Interview!

 


Das Interview ist Teil der Social-Media-Kampagne #LebePulverlack.
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