Klaus-Georg Gast (50) kandidiert auf der VdL-Mitgliederversammlung im Mai für das Präsidium. Er folgt damit auf den ausgeschiedenen Thomas Mangold (ebenfalls Axalta). Gast ist verheiratet, lebt in Basel, fühlt sich aber im Münsterland verwurzelt. Wir stellen den Karateka, Outdoor-Koch und Bayernfan in unserem Interview vor.
Lacke & Farben aktuell
Bescheidenheit und ein rotes Handy
Herr Gast, Sie bezeichnen sich selbst als Zahlenmensch. Wie sind Sie zur Farbe gekommen?
Ja, ursprünglich habe ich nach dem Abitur eine klasische Bankkaufmannslehre im Münsterland gemacht. Da wollte ich dann schnell im Finanzbereich, beim Accounting in der Buchhaltung mehr machen. Deshalb habe ich in Münster BWL studiert und klassisch den Diplomkaufmann gemacht. Dann kam ich über die Uni zu BASF Coatings. Das gab mir die Möglichkeit, international tätig zu sein und zunächst in Münster bei meiner dort lebenden Frau zu bleiben. Geboren bin ich in München, aufgewachsen in Borken. Das 'dat' und 'wat' aus dem Ruhrgebiet kommt manchmal durch, aber zweifellos bin ich mit Münster verwurzelt.
Strategie war immer Ihr Ding?
Im Studium und auch in meinem Werdegang habe ich die Schwerpunkte immer auf Finanzen und strategiesches Marketing gelegt. Als Berufseinsteiger bei BASF Coatings habe ich in einer Stabsstelle im Finanzbereich angefangen, dann kamen schnell die Themen Controlling und Benchmarking. Ins Technische habe ich auch kurz reingeschnuppert, um die Ausbildung abzurunden. Aber ich wollte immer in den Vertreib und zur Stragtegie. Nach drei bis vier Jahren hatte ich dann Sichtbarkeit im Unternehmen und habe bald die Strategieabteilung bei den Autoreparaturlacken übernommen.
Dann wurde es international?
Es war eine abwechslungsreiche Zeit bei BASF Coatings mit Stationen in Frankreich und Salzburg. 2012 bin ich zu PPG nach Basel gewechselt. Ich wollte internationaler arbeiten, aber eigentlich beim Lack bleiben. Chemie als solches war für mich immer schlecht greifbar. Lacke sind da anders: Wir sehen unsere Produkte jeden Tag, ihre Farbigkeit, wie schützen und gestalten. Deshalb bin ich nach viel Aufbauarbeit in Russland, der Türkei und in Afrika, und nach einem kurzen Schlenker 2018, auch wieder zum Lack zurück und zu Axalta gewechselt. Dort hatte sich viel verändert, und ich startete im Pulverlackgeschäft; eine faszinierende und sehr nachhaltige Technik.
Was sind Ihre Stärken?
Ich glaube, ich kann gut Brücken bauen. Ich gestalte gerne internationale Teams, die gut zusammenarbeiten und so erfolgreich sind. Gerade auf dem Gebiet "Supply Chain" und im Vertrieb hat auch jedes Land seine eigene Kultur und besondere Herausforderungen. Hier bei Axalta in Basel arbeiten zum Beispiel 60 Leute aus 22 Nationen zusammen. Solche interkulturellen Teams sind interessant und können gut funktionieren - wenn man sie richtig kombiniert und führt.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich will Silos vermeiden. Leute müssen auch dezentral zu guten Lösungen kommen und verstehen, wo wir hin wollen. Das schafft man nur mit Mut und Selbstbewusstsein. Es bedarf Einsatz, die Ziele der eigenen Abteilung zum Wohl der gesamten Firma einzusetzen. Deshalb lege ich so viel Wert auf Transparenz: Die Leute müssen bei Entscheidungen mit auf die Reise genommen werden. Gerade bei Führungskräften lege ich Wert auf Lerngeschwindigkeit und Bescheidenheit. Fachwissen kommt dann später, das kann man lernen.
Ausgerechnet "Bescheidenheit"
Große Egos, die allein entscheiden, das funktioniert heute nicht mehr. Das führt zu Mauern und Irritationen. Führungskräfte brauchen sicherlich Energie, aber das darf nicht zu Anspruchsdenken und Arroganz führen. Ich verstehe mich als Coach und will keinem was auf den Deckel geben. Wichtig für Nachwuchskräfte ist, die richtigen Fragen zu stellen, nicht jederzeit richtige Antworten zu geben. Hierarchien und das Denken in Schablonen sind in Deutchland noch immer verbreitet. Das zeigt sich schon bei der Kleidungswahl, wir folgen immer ein wenig später und halten an Formalitäten fest. Das Loslassen vom Anzug- und Krawattenzwang begrüße ich da auch ausdrücklich!
Das ist bestimmt auch der Einfluss einer jungen digitalen Generation?
Ja, da haben viele ein anderes Selbstverständnis, da ist ein Wandel. Die junge Generation hat ein massives Bestätigungsbedürfnis, das zeigen auch die sozialen Netzwerke: Immer Feedback und Selbstbestätigung. Asl Vorgesetzer muss man das fülen, den richtigen Ansatz finden. Gleichzeitig ist der Anspruch beim Thema "Nachhaltigkeit" massiv gestiegen. Den jungen Mitarbeitern liegt das am Herzen. Auch die Karriere ist nicht mehr so wichtig. Work-Life-Balance und das Denken in Teilzeit ist jetzt wichtig. Da hatten wir lange Barrieren in den Köpfen.
Hat die Pandemie hier das Denken geändert? Vielleicht auch bei Ihnen?
Die Pandemie hat sicher einen Anstoß gegeben, manches in Frage zu stellen, sich auch mal selbst neu zu kalibrieren. Viele haben ihre Prioritäten neu ausgerichtet. Auch ich habe gelernt, Dinge mit mehr Abstand zu betrachten. Wenn Covid-19 etwas Gutes hatte, dann die Beweisführung, dass es auch anders geht. Selbstverantwortung und Arbeitskontrolle haben sich revolutioniert. Nach meiner Beobachtung haben die Mitarbeiter das mobile Arbeiten nicht ausgenutzt, sondern sich für den Job oft aufgezehrt. Das Potenzial ist da, um mit andern Arbeitsweisen gleiche Ergebnisse zu bekommen. Auch wir waren hier anfangs kritisch, haben aber die positive Entwicklung gesehen, und nun pendelt es sich wohl ein in Richtung "alternativer Arbeitsmodelle".
Alles eine Frage des Managements?
Ich mache einen Unterschied zwischen gutem Management und Leadership. Das eine sind Effizienztools, das andere bedeutet, Menschen Vertrauen zu geben, Dinge zu lösen. Das muss immer ein Vertrauensthema sein. Das habe ich übrigens auch in meinem Sport, Karate, gelernt: Mit Drucksituationen umgehen, Schwächen erkennen und der eigenen Stärke vertrauen.
Was bedeutet Verbandsarbeit für Sie?
Ich war immer der Meinung, dass man als Industrie mitgestalten und verstehen muss, wo die Reise politisch hingeht. Das ist wichtig für Firmen. Im Zweifel ist es eine Frage der Ressourcen: Zunächst habe ich in der Fachgruppe Pulverlacke mitgearbeitet. Vor drei Jahren habe ich mich dann auf europäischer Ebene bei CEPE eingebracht und bin dort Schatzmeister.
Der VdL ist auf europäischer Ebene der wohl stärkste Verband, und es ist wichtig, die Achse Berlin-Brüssel gut zu bespielen. Insbesondere, wenn es um Sustainability geht. Beim Green Deal müssen wir unseren Beitrag auch mit Geld, Zeit und Studien leisten. Wir müssen verstehen, wo die richtigen Ansätze sind und früh mitgestalten. Die Industrie sollte nicht immer nur sagen "schon da" und als Bremser wirken. Wir müssen mitentwickeln, denn sonst besteht die Gefahr eines Papiertigers mit riesigem Finanzaufwand.
Kämpft die Industrie da nicht gegen regulative Windmühlenflügel?
Wenn die Politik nicht klar Flagge zeigt, würde sich auch nichts bewegen. Erforderlich scheinen mir mehr Aufwand und Comittment. Wenn wir Zeit und Arbeit aufwenden, haben wir auch hier Erfolg. Aber die Branche muss sich sicherlich ändern: Ich sehe ein Risiko, dass kleinere und mittlere Unternehmen wegen der immensen Investitionsaufwände Probleme bekommen. Das wäre sehr schade, denn ein Großteil unserer Innovationen kommt aus dem Mittelstand und ohne diese Unternehmen wäre die Branche nicht, wo sie ist.
Zum Abschluss: Sie haben in Karate den schwarzen Gürtel. Aber, was ist Ihre Lieblingsfarbe?
Eindeutig Rot - und das nicht wegen Axalta, eher wegen Bayern München (lacht). Aber im Ernst: Ich mag leuchtene Farben, trage Rot als Kontrast zu schwarzen Anzügen und habe sogar ein rotes Handy.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Alexander Schneider.
Beruflicher Werdegang von Klaus-Georg Gast
- Axalta, Vice President General Industrial Coatings EMEA (2021)
- Axalta, Business Director Powder Coatings EMEA (2018)
- Nalco Water, Area Vice President Germany/Switzerland (2015)
- PPG, Sales Director Industrial Coatings (2012)
- BASF Coatings, div., zuletzt Managing Director Services GmbH (ab 2001)
- Banklehre und BWL-Studium in Münster