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Auf ein Neues - Europa hat gewählt

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Die jüngsten Europawahlen zeigen durch die gestiegene Wahlbeteiligung weiterhin eine hohe Zustimmung zu Europa unter den EU-Bürgern. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag mit fast 65 Prozent um mehr als 3 Prozentpunkte über der letzten EU-Wahl 2019.

Die konservative EVP, die stärkste Fraktion im Parlament, verzeichnet erstmals wieder Gewinne mit zusätzlichen 14 Sitzen und hat dadurch erheblichen Einfluss, was der Partei ermöglicht, Forderungen zu stellen und Bedingungen auszuhandeln. Dagegen mussten bislang richtungsgebende Fraktionen wie S&D und die Grünen erhebliche Verluste hinnehmen. Die Wahl wird in der Öffentlichkeit jedoch auch als ein Weckruf an die aktuelle Brüsseler Politik gewertet, da die Ergebnisse, wie bereits in den Vorwahl-Prognosen angedeutet, einen moderaten Rechtsruck bestätigen. Nationalkonservative Kräfte und der rechte Rand haben Zugewinne erzielt, was zu einer stärkeren Fragmentierung der politischen Landschaft führen wird.

Insgesamt werden 720 Abgeordnete, davon 96 aus Deutschland, für die nächsten fünf Jahre ins Europäische Parlament einziehen. Trotz der noch ausstehenden endgültigen Zusammensetzung einiger Fraktionen, die voraussichtlich vor der ersten Plenarsitzung Mitte Juli bekannt gegeben werden, zeichnet sich ab, dass wohl eine informelle Koalition aus EVP, S&D und Renew gebildet wird. Möglicherweise wird sie durch die Grünen und Teile der EKR ergänzt.

Auswirkungen auf die Farbenbranche?

Doch was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft und speziell für die Lack- und Druckfarbenindustrie? In der Regierungskoalition mit der sozialdemokratischen SPD und der liberalen FDP konnten sich die Grünen mit ihrer ursprünglich ehrgeizigen Klimapolitik in der letzten Legislaturperiode nur teilweise durchsetzen. Daten des Eurobarometers zeigen, dass Klimawandel und Artenvielfalt in diesem Wahlkampf weniger Priorität für die EU-Wähler hatten als noch vor fünf Jahren. Stattdessen standen die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen sowie die hohen Lebenshaltungskosten im Mittelpunkt der europäischen Schlagzeilen. Themen wie Sicherheit und Soziales, die weniger mit dem grünen Wandel verbunden sind, rückten stärker in den Vordergrund.

Im aktuellen Entwurf des Generalsekretariats des EU-Rats für die nächsten fünf Jahre wird der Fokus auf die Stärkung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit Europas gelegt, und die wirtschaftlichen Sorgen der EU-Bürger werden angegangen. Dabei sollen Wachstums-, Produktivitäts- und Innovationslücken im Vergleich zu internationalen Partnern und Hauptwettbewerbern geschlossen werden. Die Kapazitäten in sensiblen Sektoren und Schlüsseltechnologien der Zukunft, unter anderem Biotechnologien und Chemikalien, sollen ausgebaut werden. Der Green Deal soll daher eine unterstützende Rolle bei der Erreichung der Hauptziele spielen und wird voraussichtlich in seiner aktuellen Form und Geschwindigkeit abgeschwächt. Er bleibt jedoch weiterhin richtungsweisend für die europäische Industrie.

Stimmung würde vom „Industrial Deal“ profitieren

Solche Aussagen wurden bereits von den EVP-Abgeordneten gemacht, mit denen die VdL-Vertreter kurz vor der Europawahl im Dialogformat „VdL vor Ort“ gesprochen hatten. Die neue Legislaturperiode lässt auf industriefreundliche Signale aus Brüssel hoffen. Die Stimmung der deutschen Wirtschaft würde von einem "Industrial Deal" profitieren, dem die europäische Industrie branchenübergreifend zustimmt.

Abschließend lässt sich festhalten, dass gerade jetzt die Weichen für eine wettbewerbsfähige und innovative Zukunft Europas gestellt werden. Daher ist es von großer Bedeutung für die Lack- und Druckfarbenindustrie, aktiv an den europäischen Diskussionen teilzunehmen, um sicherzustellen, dass die Interessen unserer Branche angemessen berücksichtigt werden. Mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode ergeben sich nicht nur neue Herausforderungen, die wiederum Anpassungen erfordern, sondern auch Chancen für die deutsche Industrie.

 

Viktoria Tarasenko

Referentin Public Affairs

Tel.: +49 69 2556 1702
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